Klimaneutralität: Wirtschaft ist weiter als Politik

Projekt von Klimaschutz-Unternehmen und Universität Kassel entwickelt Leitlinien

Kassel und Potsdam, 08.12.2021. Das gemeinsame Projekt „Wege zum klimaneutralen Unternehmen“ vom Verband Klimaschutz-Unternehmen und dem Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel zeigt: Bei Klimaneutralität sind Unternehmen weiter als die von der Politik definierten Ziele oder Rahmenbedingungen. „Die teilnehmenden Unternehmen verpflichten sich selbst zum 1,5-Grad-Ziel. Auch ohne Definition von Klimaneutralität und ohne die geplante Klimaneutralitätsnorm zu kennen, bereiten sie sich darauf vor. Sie leisten schon jetzt ihren Beitrag zu den deutschen Klimaschutzzielen“, sagt der Leiter des upp, Professor Jens Hesselbach. In dem zweijährigen Projekt werden für zehn Mitgliedsunternehmen maßgeschneiderte Fahrpläne zur Klimaneutralität entwickelt sowie Leitlinien, die auch Betrieben anderer Größen und Branchen helfen können. Hesselbach ist überzeugt: „Klimaneutralität ist keine Aufgabe für einzelne Betriebe, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe für alle Unternehmen und das ganze Land.“

Nachdem alle Daten der zehn Projektteilnehmer erfasst und analysiert sind ist klar: Zu den größten Herausforderungen für die Unternehmen gehören der Ausstieg aus Erdgas und die Wärmewende. Das Erdgas, was sie für Prozesse und Blockheizkraftwerke brauchen, lässt sich nur durch Biomethan oder möglichweiser knappen und teuren Wasserstoff ersetzen. Für Wärme in Prozessen, Räumen und Warmwasser wird in Deutschland die Hälfte der Energie verbraucht. Für die Elektrifizierung ihrer Wärmeversorgung brauchen die Betriebe viel erneuerbare Energie.

Die Herausforderungen beim Provinzial Konzern beschreibt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Versicherers Patric Fedlmeier: „Um einen Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu leisten, ist das Vermeiden oder Vermindern von Treibhausgasemissionen essenziell. Zur Bewertung von Handlungsalternativen ist die Energie- und Emissionseinsparung pro Jahr deshalb für uns eine wichtige Messlatte. Auf unserem Weg zur Klimaneutralität an allen Hauptstandorten denken wir über Alternativen zur Erdgas-Nutzung nach und treffen dabei auf Unsicherheiten wie die Qualität und Verfügbarkeit von Biogas sowie hohe Umstellungskosten bei einem Technologiewechsel.“

„Unsere Mitglieder wollen klimaneutral werden. Das bedeutet Umsatteln auf neue Technologien. Sie müssen Know-how aufbauen, viel Zeit und Geld investieren“, sagt Philipp Andree, Geschäftsführer der Klimaschutz-Unternehmen. 70 Prozent der Unternehmen aus der Projektgruppe stufen die Umstellungskosten als wesentliches Hindernis auf ihrem Weg zur Klimaneutralität ein. „Vor allem brauchen die Unternehmen ausreichend bezahlbaren Grünstrom. Die neue Regierung will den Ausbau erneuerbarer Energien drastisch beschleunigen. Das muss sie auch, damit die Betriebe Planungssicherheit haben und auf Erneuerbare setzen können, ohne in Versorgungsengpässe zu kommen“, betont Andree.

Der Biogetränkehersteller Neumarkter Lammsbräu nutzt selbst erzeugte Solarthermie. Inhaber und Geschäftsführer Johannes Ehrnsperger erklärt: „Wir setzten wo immer möglich auf die Wärme der Sonne. Grundlage dafür sind zum einen unsere Investitionen in ein Niedrigtemperaturnetz, da Solarthermie bei höheren Temperaturen unwirtschaftlicher wird; zum anderen die Nutzung aller dafür sinnvollen Dach- und Fassadenflächen für entsprechende Panels. Um hier noch schneller vorangehen zu können, braucht es die entsprechenden baurechtlichen Regelungen und Genehmigungen.“

„Die Unternehmen wollen in Anlagen für Erneuerbare investieren, aber die regulatorischen Rahmenbedingungen sind ein echter Hemmschuh“, so Philipp Andree. Für mehr als die Hälfte der Projektgruppe verhindern aufwendige Genehmigungsverfahren, dass mehr eigene Anlagen gebaut werden. Aus Sicht der Betriebe gelingt die Energiewende nicht, ohne dass in Deutschland zugebaut wird, Genehmigungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Er fordert: „Die Klimaschutz-Unternehmen bauen auf die im Koalitionsvertrag angekündigte Beschleunigung der Verfahren und appellieren an die Ampelkoalition, Worten jetzt schnell Taten folgen zu lassen.“

Anfang 2021 haben der Verband Klimaschutz-Unternehmen und das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel ihr Kooperationsprojekt „Wege zum klimaneutralen Unternehmen“ gestartet. In dem zweijährigen Projekt werden für zehn Mitgliedsunternehmen maßgeschneiderte Fahrpläne zur Klimaneutralität entwickelt. Das Projekt läuft bis zum 31. Dezember 2022 und wird von den teilnehmenden Unternehmen finanziert.

Am Projekt beteiligen sich zehn Klimaschutz-Unternehmen:

  • Energiedienst Holding AG
  • Förster Kunststofftechnik GmbH
  • Neumarkter Lammsbräu Gebr. Ehrnsperger KG
  • PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG
  • Provinzial Holding AG
  • Schöck Bauteile GmbH
  • Stadtwerke Karlsruhe GmbH
  • Weidmüller Interface GmbH & Co. KG
  • Worlée-Chemie GmbH
  • ZINQ GmbH & Co.KG

Mehr zum Projekt finden Sie hier

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