KSU-Geschäftsführer Philipp Andree im Focus

Burda-Sonderpublikation „Klimaschutz“

Grüne Vorreiter

Und plötzlich sind alle Klimaretter. Kaum hatte sich die kollektive Sorge vor einem Wiederaufflammen der Corona-Pandemie im Frühjahr gelegt, folgte das mediale Comeback des wohl drängendsten Themas unserer Zeit: des Klimaschutzes. Befeuert durch Debatten im Wahlkampf, die verheerende Flut im Westen der Republik und zahlreiche weitere Klimakapriolen rund um den Globus, war das Thema mit einem Mal wieder in aller Munde. Entsprechend grün ist der Anstrich, den sich die Wirtschaft gibt.

Denn auch in den Teppichetagen ist längst angekommen, was immer mehr Umfragen bestätigen: Ob als Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen, als Angestellte in Betrieben oder als Aktienanleger – wie stark sich Unternehmen für den Klimaschutz engagieren, darauf verlangen immer mehr Menschen in Deutschland eine Antwort. Für die Wirtschaft wird Klimaschutz damit zunehmend zum Wettbewerbsfaktor.

WER MEINT ES ERNST?

Doch die Frage steht im Raum: Wer meint es tatsächlich ernst mit seinem Engagement? Wo findet echtes Umsteuern statt?

Für das Nachrichtenmagazin FOCUS und die Nachhaltigkeitsinitiative For Our Planet des BurdaVerlags war diese Gemengelage der Ausgangspunkt für ein aufwendiges und zeitintensives Projekt – mit dem Ziel, unternehmerisches Klima-Engagement zu würdigen und Ambitionen zu unterstützen, tatkräftig in Richtung Null-Emissionen voranzuschreiten. „Sowohl die EU als auch die Bundesregierung haben klare klimapolitische Ziele formuliert, die nur erreicht werden können, wenn Unternehmen einen substanziellen Beitrag leisten“, sagt Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement. Und die Zeit dafür wird bedrohlich knapp. „Die Studienlage ist unstrittig: Wir müssen jetzt gegensteuern, um die Erderwärmung zu stoppen.“

Der Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM) an der Leuphana Universität ist einer der externen Experten, die an der Erstellung der Burda-Erhebung mitwirkten. Mithilfe einer aufwendigen Online-Befragung gaben Geschäftsführer, Klimabeauftragte und andere Führungskräfte Auskunft über wesentliche Anstrengungen in ihren Unternehmen. Dabei standen das bisherige und das aktuelle Klima-Engagement ebenso im Fokus wie dessen Marktwirkung. Denn klar ist: Gibt etwa ein großer Autobauer bekannt, in naher Zukunft keine Verbrenner mehr produzieren zu wollen, hat das nicht nur Auswirkungen auf die eigene Nachhaltigkeit, sondern Strahlkraft auf die gesamte Branche.

„Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie dringend handeln müssen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Das Gros der Wirtschaft will klimaneutral werden, zeigen Umfragen“, sagt Philipp Andree, Geschäftsführer des Berliner Verbands Klimaschutz-Unternehmen. Für den Fachmann ist klar: Vom Versicherer über den IT-Dienstleister bis zum Maschinenbauer – die Zahl der Betriebe, die in schadstoffärmere Technologien und Anlagen investieren, den eigenen Energieverbrauch senken und Energie nachhaltig beziehen, wächst stetig. Greenwashing wird seltener, so Andree. „Gleichzeitig stehen viele jedoch erst am Anfang.“

Denn den richtigen Weg zum Ziel Klimaneutralität zu beschreiten, ist im geschäftlichen Alltag oft nicht leicht. Zwar gibt es zahlreiche Vorreiter, die FOCUS/For Our Planet in dieser Ausgabe für ihr langfristiges Engagement auszeichnen – wie etwa die Bohlsener Mühle. Das Unternehmen aus der Lüneburger Heide setzt seit 40 Jahren auf Bio-Backwaren und regionalisierte seine Lieferkette bereits, bevor viele andere dies als wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit für sich entdeckten. Oder der bundesweite Energieversorger Green Planet Energy, der auf 100 Prozent Ökostrom setzt und vielversprechende Windgasprojekte verfolgt, um die Energiewende voranzutreiben.

SÜNDER MIT POTENZIAL

Doch gerade viele Dickschiffe der Wirtschaft stehen vor fundamentalen Veränderungen ihrer Geschäftsmodelle. Besonders Unternehmen mit klimaschädlicher Vergangenheit haben oft veraltete, auf der Nutzung von fossilen Energieträgern beruhende Strukturen und müssen sich verbessern. Das ist zugleich Chance: Denn genau jene Unternehmen, die, historisch bedingt, zu den großen Klimasündern gehören, haben das größte Verbesserungspotenzial. Und einige gehen die Transformation gerade in jüngerer Vergangenheit beherzt und mit großen Ambitionen an. Diese Leistung möchten FOCUS und For Our Planet mit dem zweiten Siegel ebenfalls würdigen.

Da gibt es etwa den Industriekonzern Schneider Electric, der bereits 2025 klimaneutral arbeiten will und immer stärker auf kreislaufwirtschafts-fähige Produkte setzt. Oder die Deutsche Telekom, die im energieintensiven IT-Sektor seit diesem Jahr nur noch Strom aus vollständig erneuerbaren Energien nutzt. Bis 2025 will der Konzern seine CO2-Emissionen um 95 Prozent gegenüber 2017 senken.

Für For Our Planet und FOCUS stellt die diesjährige Erhebung den Startschuss für die externe Bewertung von Unternehmen dar, die sich im Kampf gegen die Erdüberhitzung engagieren. Der Weg zum Ziel ist noch weit. Denn die diesjährige Recherche offenbarte auch: Die Datengrundlage innerhalb der Wirtschaft ist höchst unterschiedlich. „Oft kennen Unternehmen ihren CO2-Ausstoß kaum“, so Schaltegger. „Dann wiederum gibt es einige, die selbst mit Blick auf ihre Zuliefererkette belastbares Zahlenmaterial besitzen und zielgerichtet umsteuern“, so Schaltegger. Der Anfang immerhin ist gemacht.

Dieser Text stammt aus der Focus-Sonderbeilage „Klimaschutz“, die am 06. November 2021 dem Magazin beilag. Autor des Beitrags: Mathias Ohanian, weitere Informationen finden Sie hier.

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